Wie erfuhr man von der Religionsfreiheit? Oder vom Toleranzpatent Kaiser Josefs II ?

(Quelle: In der Chronik von Pfarrer J.E. Koch, Wallern an der Trattnach, ist folgendes darüber zu finden:) Originaltext

Von Wallern selbst haben sich die beiden Bauerssöhne vom Hietlmayergute Michael und Matthias Malzner in die Fremde begeben, um dort frei ihres Glaubens leben zu können. Sie waren es, welche dann von Regensburg die Frohbotschaft des Toleranzediktes in die Heimat zurückbrachten. Die Flucht Michaels wirft ein Schlaglicht auf die damaligen religiösen und sozialen Verhältnisse.

Michael Malzner, der wie seine Brüder evangelisch gesinnt war, musste bei der Grundherrschaft Freyling „Waisendienst“ (Frohndienst) verrichten, einen Dienst, der stets gescheut wurde. (Schloß Frejling im heutigen Freiling ist ein Ortsteil von Oftering) Auch dem Michael gefiel es nicht, ebenso wenig gefiel ihm das „Geschrei“ beim Beten, und er beschloss, zu entfliehen. Das war aber nicht leicht zu bewerkstelligen. Freyling, ein Wasserschloss, stand mitten in einem Teich, eine Brücke führte zum Schloss und Maierhof. Ein Thor schloss den Zugang ab. Tagsüber stand es offen, aber „kein Mensch und keine Maus“ konnte ungesehen passieren. Eine wichtige Rolle bei dem Gerichtswesen spielten bis zum Jahre 1848 die Fanghunde, welche die Gerichtsdiener begleiteten und abgerichtet waren, die Leute, auf die sie gehetzt wurden, bei der Kehle zu fassen. Michl gab sich nun längere Zeit mit dem Hund ab, der ihm ob der zugesteckten Bissen sehr zugetan war. Ein zur Flucht passender Tag wurde ausersehen. Michl packte sein Gewand zusammen und schnitt tagsüber fleißig Futter. Als er zum Nachtmahl gerufen wurde, antwortete er! „Ja, gleich!“ Alle begaben sich zum Abendessen, er aber nahm sein Bündel und eilte über die Brücke. Bald darauf hörte er, wie der Diener das Thor schloss. Das Korn war damals gerade sehr hoch. Schnell lief er zu einem Kornfeld, sprang hinein und legte sich zu Boden. Drinnen am Tische hieß es: „Dass den der Michl nicht kommt?“ Es wurde Nachschau gehalten, Michl war nirgends zu finden. Nun wurde der Gerichtsdiener mit dem Fanghund dem Flüchtling nachgesandt. Der Diener hetzte den Hund: „Fass an, fass an!“ Michl im Korn „schnaufte in die Erde“. Der Hund suchte nicht und fasste nicht an, denn „er kannte den Michl zu gut“.

So kehrte der Diener unverrichteter Sache zurück, Michl aber eilte nach dem ungefähr 4 Wegstunden (18 km) weit entfernten Wallern und klopfte dort bei seinem Bruder ans Fenster: „Sepp, Sepp!“ „Bist du es Michl?“ „Ja, mach schnell auf“. Das geschah, Michl trat ein. „Was machst du da?“ „Ich konnte in Freyling nicht bleiben“. „Bleib auch da nicht, keine Stunde“. Michl aß und trank schnell und eilte wieder fort, vorerst zum Rathbauer in Bergern, wo sein Bruder Matthias bedienstet war. „Wohin?“ „Nach Ortenburg“.

Sodann begab sich Michel zum Weberbartl (Bartholomäus Reuter) in St. Marienkirchen, wo er tagsüber sich verborgen hielt. In der nächsten Nacht trat er seinen Marsch nach Ortenburg (90 km) an, wo er glücklich anlangte. Daselbst blieb er bei einem Bauer namens Hubmer. Sein Bruder Matthias reiste auch bald nach. Dieser mauerte, jener diente beim Hubmer. Nach einigem Aufenthalte in Ortenburg gingen beide nach Regensburg (30 km) und blieben daselbst sieben Jahre, bis das Toleranzpatent 1781 ihnen die Rückkehr ermöglichte.

Sie dienten beim Kaufmann Leipold. Hier erfuhren sie von ihrem Herrn, der die Zeitung las, dass Josef II seinen Untertanen die Gewissensfreiheit verliehen habe. Michael steckte das Zeitungsblatt in die Tasche, machte sich auf die Reise und brachte seinen Anverwandten in Österreich die frohe Botschaft. Josef Malzner, der damalige Besitzer des Hietlmayergutes, ging nun mit sich selbst zu Rate, wie es anzufangen sei, um das Vorhandensein des Toleranzpatentes zu erfahren. Er entschloss sich, die Sache folgendermaßen einzuleiten. Er ging mit seinem Bruder Michael bis nach Holzhausen (heute Ortsteil von Oftering) Dort ließ er ihn und ging allein zum Pfleggericht nach Freyling. (Das Schloß war seit 1768 im Besitz von Franz Wenzel, Freiherr von Rumerskirch. Ein „Pfleger“ war der örtliche Grundherr und hatte die zivile Verwaltung, Polizeigewalt, strafrechtliche Gewalt und die militärische Gewalt)

Der Pfleger, ein leutseliger Mann, der besonders den Hietlmayer wohl leiden konnte, fragte ihn gleich, ob ihm etwas fehle? Hietlmayer antwortete, er befinde sich in größter Verlegenheit, seine Brüder hätten ihm von Regensburg mitgeteilt, sie möchten gerne kommen und ihn in seiner schweren Hauswirtschaft unterstützen. Er wäre derselben auch sehr bedürftig, weil er hart liege und mit lauter fremden Leuten hausen müsse, aber er getraue sich nicht, sie kommen zu lassen, da sie wegen der Religion ausgewandert seien. Ob denn der „gestrenge Herr“ gar keinen Rat wisse?

Der Pfleger war in sichtlicher Verlegenheit, schritt im Zimmer auf und ab, sprach einige Male mit dem Hofschreiber und rief endlich aus: „Es hilft nichts, wir können es doch nicht länger mehr verbergen. „Malzner, lass deine Brüder kommen!“

Und als dieser noch Bedenklichkeiten äußerte, antwortete ihm der Pfleger: „Sorge Dich nicht, lass deine Brüder nur kommen und wenn ihnen jemand etwas in den Weg legen will, so werde ich Richter sein. Der Kaiser hat die Religionsfreiheit herausgegeben“.

Nun fragte er den Hietlmayer noch, wie denn er und sein Weib gesinnt seien? Und als Hietlmayer antwortete: „Gestrenger Herr, Sie wissen es ohnehin, wir sind auch im Herzen evangelisch wie unsere Väter“, so erwiderte der Pfleger: „Du bist mir ein lieber Mann, übe Deine Religion, so gut Du es kannst“.